Sonntag, 2. März 2008

Vom Antrag zur Stahltür - Bürokratische Aufnahmehürden

Deutschland ist das Land der Ordnung, so heißt es. Es gibt Tausende von Regeln, die Leute gehen nur bei Grün über die Straße und überall auf der Straße ist alles schön ordentlich. Dass dies in Kreuzberg so gar nicht der Fall ist, lassen wir hier einmal außen vor.

Dafür ist der Campus der Moskauer Humanistischen Universität sehr sauber, wobei hinzugefügt werden muss, dass der Schnee einen großen Teil der Straßenreinigung übernimmt. Er kehrt einfach alles unter seinen Teppich. Und die Flecken Erde, die er nicht mehr erreicht, werden regelmäßig von emsigen Straßenkehrern und Reinigungskräften umsorgt. Und so sind die leicht verfallenen Gebäude der MosGU, die auf der Homepage der Universität sehr viele Fotofilter durchlaufen haben müssen, von innen doch sehr reinlich. Denn auf Sauberkeit wird geachtet, bei Wegen und Räumen genauso wie bei wichtigen Schriftstücken.

Von denen mussten wir, die neuen Studenten des russisch-deutschen Masterstudienganges „Interkulturelle Sozialarbeit“ sehr viele ausfüllen. Strengen Blickes wurde man dabei darauf hingewiesen, dass schwarze oder sogar rote Kugelschreiber nicht erlaubt sind und dass der Adressat immer rechts oben in der Ecke stehen muss. Doch fangen wir von vorn an.

Um legitimiert in der MosGU studieren zu können, benötigt man nicht nur ein gutes Durchhaltevermögen und viel Zeit, sondern außerdem 10 Passbilder, zwei Anträge mit Unterschriften verschiedener Personen, zwei ausgefüllte Verträge, einen Passierschein, zahlreiche persönliche Unterschriften und nicht zuletzt eine ausreichende Orientierung auf dem Camus sowie ein hervorragendes Gedächtnis für Büroraumnummern.

Diese „Aufnahmezeremonie“ ist also aufwendig aber auch lehrreich. Vor allem, wenn man seinen ersten Fehler macht oder das genannte Sauberkeitsprinzip durchbricht. Selbst für einen einfachen Antrag, den man stellen muss, um das Wohnheim monatlich bezahlen zu dürfen, steht die Form über dem Inhalt. Dass dieser Antrag nach der Ausstellung des „Prikas“ = Anweisung, nur in irgendeinem blöden Ordner landet oder wie in meinem Falle plötzlich gänzlich verschwindet, scheint danach niemanden zu interessieren. Also musste ich mit meiner Zweitschrift, bei der ich in Schönschrift all das abkritzelte, was mir vorgeschrieben wurde, noch einmal quer über den Campus von Haus 1 zu Haus 3, wo die Dekanin unterschrieb, dann wieder zurück in Haus 1 in das Büro zur „Sammlung aller Dokumente für den Rektor“, um nach den drei Tagen Rektorenunterschriftszeit festzustellen, dass niemand mehr weiß, wo mein Antrag gelandet ist. Glücklicherweise wusste man aufgrund derselben Prozedere anderer Studenten, dass im Grunde niemand etwas gegen die monatliche Mietzahlung einzuwenden hat. Wieso denn auch? Also konnte ich endlich meinen Wohnheimvertrag unterschreiben, den kleinen Zettel mit der Geldanweisung in Empfang nehmen, damit zur Buchhalterin gehen, die mir eine Rechnung ausstellte und mit dieser irgendwann nach zahlreichen angekündigten Mittags- und unangekündigten Kaffeepausen meine Monatsmiete an der Kasse bezahlen.

Mal gut, dass ich vorher schon in das Wohnheim durfte und nicht vor der eisernen Sicherheitstür stehengelassen wurde. Ich erhielt sogar gleich meinen „Propusk“ = Passierschein, den man eigentlich gegen eine Eigenkreation austauschen könnte, weil sowieso niemand genau hinschaut. Hauptsache, man holt irgendetwas aus der Tasche und hält es an der richtigen Stellen, nämlich der zweiten inneren Sicherheitsschranke dem Pförtner entgegen. Diese Geste ist jedoch sehr, sehr wichtig. Wenn man nur zwei Minuten das Gebäude verlassen hat, erhält man strafende Blicke, sollte man Heineingehen dieses Ritual nicht befolgen.

Aber das stimmt nicht ganz, denn nach gut einem Monat freundlicher Annäherung drückt das Wachpersonal schon einmal ein Auge zu und ohne Ritual auch den Knopf für die Sicherheitstür…

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